#TabsVonGesternNacht – Das Ende einer Ära

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Es begann als fixe Idee im März 2020 – nämlich während des ersten Corona-„Lockdown“. In diesem Artikel aus dem November 2022 hatte ich den Werdegang zusammengetragen, von der Grundidee bis zum anvisierten Neustart. Was kam danach?

WorkAdventure und der Thronsaal netcup stellte mir (beziehungsweise: uns) einen Root-Server zur Verfügung, auf dem ich mein neues Konzept an den Start brachte: Jitsi, nach wie vor, aber an ein selbst gehäkeltes WorkAdventure mit eigener Map geschnallt. Meine Idee: wenn ich schon einmal pro Woche einlade, dann lade ich ab jetzt wirklich in ein virtuelles Wohnzimmer ein. Biete eine Übersicht aller Anwesenden; die Möglichkeit, sich auf mehrere Kommunikationsräume zu verteilen; die Möglichkeit, sich in Kleingruppen außerhalb definierter Konferenzräume unterhalten zu können; die Möglichkeit, sich aus unliebsamen Unterhaltungen herausziehen zu können – ohne jedoch die Veranstaltung vollständig verlassen zu müssen.

In technischer Hinsicht ein Traum: bei dem Server handelte es sich um einen RS 4000 G9.5:

  • AMD EPYC™ 7702, 10 dedizierte Prozessorkerne,
  • 32GB RAM,
  • 1TB SSD

Jitsi und Spaß mit OBS

Jitsi und Spaß mit OBS

Ich kann für den Server – und für netcup-Server generell – ohne jedes schlechte Gewissen Werbung machen. In all der Zeit machte er, wie auch mein privater, den ich schon seit Jahren hier betreibe, keinerlei Ärger: lief einfach durch, war konstant performant und verfügbar. Betrieben unter Debian, verteilte sich Jitsi auf vier Docker-Container:

  • jitsi-prosody
  • jitsi-web
  • jitsi-jvb
  • jitsi-jicofo

Hinzu kamen die Container für WorkAdventure; es muss sich dabei ungefähr um v1.11.4 gehandelt haben, allerdings kam ein Teil dann doch direkt aus dem master, weil ich es sonst nicht ans Laufen bekam:

  • wa-redis
  • wa-pusher
  • wa-back
  • wa-iconserver
  • wa-maps
  • wa-front

Dem allem war ein Traefik-Container vorangestellt, Docker-Netzwerke entsprechend verdröselt, viel Spaß mit der lokalen Firewall; Einstiegspunkt für die Teilnehmer war ein lokaler nginx. Die Maps bastelte ich unter Verwendung von Tiled, dem WorkAdventure-Starter-Kit und Kaffee, sehr viel Kaffee.

Jitsi, OBS und der 7. Sinn

Jitsi, OBS und der 7. Sinn

Und Zeit. Sehr viel Zeit. Niemand sollte unterschätzen, was ich an Aufwand in Aufbau und Betrieb der Plattform steckte. Einer Plattform, die in Summe vier Jahre lang jeden Freitag zum vereinbarten Zeitpunkt bereitstand – immer. Die ich auch abweichend davon – gerade zu emotional aufgeladenen Zeitpunkten wie Weihnachten oder Silvester (und dann auch entsprechend geschmückt!) – bereitstellte. Teil meines Plans war, diese Aufwände in Form von Artikeln festzuhalten und allen Interessierten zur Verfügung zu stellen – Installationsanleitungen, Tipps für Maps, Fallstricke, Scripte.

Der Plan war nicht schlecht, doch er wies zwei eklatante Mängel auf:

  • Er kam zu spät: gewisse Dynamiken hatten sich innerhalb der Gruppe über die Monate so verfestigt, dass technische Mittel alleine nichts mehr ausrichten konnten. Das war mir bei der Planung des Neustarts auch bewusst. Es hätte mehr Intervention meinerseits gebraucht, zumindest zeitweise; mehr Führung beziehungsweise Steuerung der Gruppe. Und ich war willens, das zu leisten. Doch dazu war ich dann, als es ernst wurde, nicht in der Lage, denn…
  • Er kam zur Unzeit: just zum Zeitpunkt des Neustarts begann sich meine gesamte persönliche Situation auf massive und unkalkulierbare Art sehr schnell zu ändern. Zum Negativen zu ändern. Ich ging durch die Hölle.

Im Juni 2023 ist es mir tatsächlich noch gelungen – und ich weiß wirklich nicht mehr, wie, unter den gegebenen Umständen – eine grundsätzlich lauffähige Version der damals gültigen v1.15.12 an den Start zu bringen (was mich viele Abende kostete). Doch sie lief nicht rund, das zugehörige Issue ist bis heute offen. Ich habe später noch versucht, v1.16 bzw. dann v1.18 ans Laufen zu bekommen – und bin bei beiden gescheitert, als hätte ich noch nie einen Docker-Container in der Hand gehalten. Ich tue mich zunehmend schwer mit dem Projekt und seiner $DOKUMENTATION, mit den vielen, vielen Rädchen, die reibungslos und magisch ineinandergreifen müssen. Das ist kein Opensource-Bashing, ich weiß um die Herausforderungen der Maintainer. Ich muss aber auch meine eigenen anerkennen.

„Der Abschied von einer langen und wichtigen Arbeit ist immer mehr traurig als erfreulich.“ – Friedrich Schiller

Die Entscheidung, die Runde final einzustellen, habe ich mir nicht leicht gemacht; der Weg dorthin war lang. Ich verspüre den Stolz, da etwas geschaffen zu haben – etwas, das Menschen zusammengeführt und Zeit überdauert hat. Den Druck, einmal Angefangenes irgendwie durchzuziehen. Eine gewisse Verantwortung der Gruppe gegenüber, die es ohne mich gar nicht gäbe. Eine Verantwortung gegenüber netcup, die sich so wahnsinnig großzügig und kulant verhalten haben. Aber eben auch, und das ist neu, eine Verantwortung gegenüber mir selbst und meinen Ressourcen. Sowie die Überzeugung, dass die Zeit „der Tabs“ abgelaufen ist.

#tvgn hatte seine Daseinsberechtigung, und ich glaube, es hat einigen von uns durch schwierige Zeiten geholfen. Hier lernten sich Menschen kennen. Innerhalb der Gruppe wurden Jobs vermittelt – TabStone, wenn man so will. Hier lernten sich Menschen mögen. Gesichert weiß ich von zumindest einer Beziehung, die hier ihren Anfang nahm – TabShip, wenn man so will.
Mehr geht nicht. Und es ist so viel mehr, als ich je erwartet habe.

Damit endet, wenn auch mit einem gewissen Bedauern, die Ära von #TabsVonGesternNacht.

Der letzte Termin wird Freitag, der 3. Mai 2024, ab 21:00 sein.

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